Der Funktionale Ansatz zur Literaturübersetzung [Il funzionalismo applicato alla traduzione letteraria]

1 1. Einleitung Gegenstand dieser Arbeit ist die Literaturübersetzung und die Fragestellung, inwiefern eine funktionale übersetzungsrelevante Textanalyse beim Übersetzen von literarischen Werken hilfreich sein kann. Dazu erwies sich die Erörterung der zu einem angemessenen Übersetzungstext führenden Fragen anhand der Analyse von zwei deutschen Kurzgeschichten besonders nützlich. Außerdem ergab sich daraus, dass die relativ junge Übersetzungswissenschaft einerseits den Status von selbstständiger wissenschaftlicher Disziplin verdient und andererseits den Beitrag von damit verbundenen Fachrichtungen wie der Philologie, der Literaturwissenschaft und der Hermeneutik genießen kann. Zweck dieser Arbeit ist es zu zeigen, dass ein funktionaler Ansatz zur Literaturübersetzung trotz der V orbehalte vieler Experten interessante Aufschlüsse über die Disziplin geben kann. Lange Zeit wurde nämlich die Translation grundsätzlich philologisch verstanden, und zwar als Teil der Sprachwissenschaft. Dadurch stand im Blickpunkt das Streben nach einer Äquivalenz zwischen Ausgangs- und Zieltext, obwohl sich der Äquivalenzbegriff selbst im Laufe der Zeit viel verändert hat. Mit der Einführung einer zweckorientierten V orstellung von Übersetzung erlebte die Translationswissenschaft eine unbestreitbare Paradigmavershiebung, wobei viel mehr Aufmerksamkeit der Kommunikationssituation des Zieltextes statt nur des Ausgangstextes gewidmet wurde. Der funktionale Ansatz, und zwar Christiane Nords (2009) diesbezügliche Betrachtungsweise stellen die theoretische Basis der übersetzungsrelevanten Analyse der Kurzgeschichten dar, die im zweiten Teil dieser Arbeit dargelegt wird. Im Hinblick auf die angeblich potenziell universelle Gültigkeit von Nords Modell wurde es als methodologisches Muster gewählt, um die übersetzungsrelevante Analyse von Abschnitten eines etwaig problematischen Werkes durchzuführen. Das betreffende Werk ist Mein Jahrhundert von Günter Grass (1999), eine Sammlung von 100 Kurzgeschichten, die einen Überblick über die Weltereignisse und die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts aus dem Blickwinkel des Autors bietet. Angesichts der Vielfältigkeit von Perspektiven, Registern, Sprachvarietäten und Themen, die das Werk kennzeichnet, stellt es eine interessante Fallstudie dar. Der Mangel an Gleichmäßigkeit des gesamten Werkes stellt nämlich den Übersetzer bzw. die Übersetzerin vor zahlreiche Herausforderungen. Nords Modell der übersetzungsrelevanten Textanalyse bietet allerdings eine Herangehensweise, die erlaubt, methodologisch mit verschiedenen Übersetzungsproblemen ungeachtet der Einzigartigkeit jedes Einzelfalls umzugehen. Doch die Skepsis von einigen in Bezug auf die Anwendbarkeit des