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Theoretischer Teil
1 Zielsetzung - kontrastiver Vergleich
Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, das Korpus von spanisch-italienischen
Phraseologismen auf kontrastive Ebene zu analysieren.
Kontrastive Phraseologie hängt mit konfrontativer Linguistik zusammen. Ihr Ziel
ist die Untersuchung der phraseologischen Systeme von zwei oder mehr
Sprachen und Herausarbeitung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
[Fleischer 1982: 30]
Die Arbeit wird in zwei Teile gegliedert – einen theoretischen Teil und einen
praktischen Teil. Der theoretische Teil befasst sich mit den theoretischen Grundlagen
und charakteristischen Merkmalen der Phraseologismen. Im praktischen Teil werden
die Phraseologismen, die anhand von bestimmten Kriterien, wie körperlichen und
geistigen Eigenschaften von Menschen, nach dem Prinzip des modernen Gebrauchs
in einem Korpus zusammengefasst und kategorisiert sind, unter solchen Merkmalen,
wie Polylexikalität, Festigkeit, Idiomatizität analysiert. Als Grundlage des Vergleichs -
Tertium comparationis wird bei der Analyse eine Metaphorisierung genommen, weil
Spanisch und Italienisch als romanische Sprachen nicht nur verwandt sind, sondern
auch dem gleichen europäischen Raum und der gleichen europäischen Kultur
angehören.
Die analysierten Phraseologismen werden nicht nur auf semantischer und
syntaktischer Ebene und auf der Ebene der generativen Syntax verglichen, sondern
auch unter pragmatischen, kognitiven und psycholinguistischen Gesichtspunkten
untersucht, die für allgemeines Phraseologismusbild sehr wichtig sind.
Es wird eine ausführliche idiomatische Äquivalenzanalyse durchgeführt und
Übersetzungsvorgänge für verschiedenen Äquivalenztypen werden ausgearbeitet.
Die Phraseologismen werden auch auf Polylexikalität sowie Festigkeit und Stabilität
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untersucht. Dementsprechend wird es in der Arbeit auf die Übersetzung von
Phraseologismen in Computerlinguistik ankommen und die entstehenden Probleme
werden betonnt, dabei werden die wichtigsten Punkte der Zusammenarbeit von
Computerlinguistik und Phraseologie hervorgehoben. Es werden anhand
verschiedener Modelle eine Identifizierung von Phraseologismen bei der
elektronischen Übersetzung und auch einige Übersetzungsverfahren vorgeschlagen.
Schließlich wird ein gemeinsamer Überblick der durchgeführten Analyse erstellt, wo
die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sowie die Interferenzen bei der
Übersetzung dargestellt werden. Es wird auch darauf eingegangen, wie diese
Interferenzen im didaktischen Verfahren genutzt werden können.
2 Phraseologismen – Definitionen
Phraseologie ist die Lehre von den Phrasemen (griech. phrasis ‚Rede‘ und logos
‚Lehre‘). [Donalies 2009: 3]
Die Phraseologie ist eine Teildisziplin der Sprachwissenschaft, die sich mit
Phraseologismen beschäftigt. Die Phraseologie wird aus verschiedenen
Teildisziplinen wie idiomatischen Ausdrücken, Modismen, phraseologischen
Einheiten, Redensarten und Redewendungen in eine neue Disziplin
zusammengefasst.
Die ersten Linguisten, die die Phraseologie als selbstständige Disziplin in den 70er-
Jahren definiert hatten, waren die russischen Wissenschaftler Vinogradov,
Reichstein, Mel'cuk u.a. und ihre deutschen Kollegen Rothkegel, Burger, Plakes,
u.a.
Die Phraseologismen werden oft nicht nur durch ihre feste syntaktische Struktur
und irreguläre semantische Verknüpfung, sondern auch durch ihre semantische
Ganzheit charakterisiert.
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Die Phraseologismen verfügen über eine Reihe von gemeinsamen Merkmalen,
die sie als sondergestaltete Zeichen hervorheben. Diese Merkmale werden unter
den Kategorien der Semantik, Syntaktik und Pragmatik gruppiert. [Segura
García: 1998: 20]
Nach Segura García (Segura García, 1998, 24) charakterisiert man
Phraseologismen mit verschiedenen Eigenschaften wie Bildhaftigkeit,
Metaphorisierung, Motivation, Reproduzierbarkeit, Lexemäquivalenz, Nicht-
Modellierbarkeit, Idiomatizität, Festigkeit, Polylexikalität oder Mehrgliedrigkeit. Die
Vielfalt dieser Terminologie weist darauf hin, dass es sich um ein relativ kompliziertes
und ein wenig erforschtes Gebiet handelt, trotz der intensiven Forschung in den
letzten Jahren.
Bei dieser Arbeit wird nur auf Idiomatizität, Polylexikalität, Festigkeit und Stabilität
eingegangen, denn das Korpus wird auf diesen Ebenen untersucht, dabei werden
auch solche Aspekte wie pragmatische, kognitive und psycholinguistische beachtet.
2.1 Polylexikalität
Zu den wichtigsten Kriterien, welche die Phraseologismen bestimmen, gehört
zweifelsohne die Polylexikalität. Nach Burger (Burger, 2007, 15) muss bei der
Polylexikalität ein Phraseologismus aus mindestens zwei lexikalischen Einheiten
bestehen. Es gibt auch die Meinung, dass ein Phraseologismus aus einer einzelnen
lexikalischen Einheit bestehen kann. Für die deutsche Sprache ist es durchaus
möglich, denn sie ist für ihre Zusammensetzung aus lexikalischen Einheiten bekannt.
Wörter werden im Deutschen praktischerweise zusammengeschrieben. So sehen
wir sofort, dass Schwarzmarkt einzelnes Wort ist, Schwarzer Markt aber ist nicht
ein Wort, sondern zwei. Tatsächlich kann im Deutschen ‚der orthografische Usus
ausschlaggebend‘ sein (Topczewska, 2004, 24). [Donalies 2009: 7]
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Nach Burger (id. 15) müssen Phraseologismen nicht unbedingt autosemantische
Wörter beinhalten. Als autosemantisch werden solche Lexeme eingestuft, welche
eine vom Kontext unabhängige und selbstständige lexikalische Bedeutung
aufweisen. Das sind Substantive, Verben, Adjektive und Adverbien. Ein
Phraseologismus kann auch aus zwei synsemantischen Wörtern bestehen. Als
synsemantisch werden solche Lexeme eingestuft, die nur eine grammatische
Funktion im Satz haben, aber keine eigene (lexikalische) Bedeutung, daher werden
sie auch als Funktionswörter bezeichnet. Artikel, Konjunktion, Partikel, Pronomen,
Präposition, Modalverb und Hilfsverb zählen zu den Funktionswörtern.
So gibt es solche Phraseologismen, auch ‚minimale Phraseologismen‘ genannt,
die keine autosemantischen Wörter enthalten oder bei denen die ursprünglichen
autosemantischen Wörter in ihrer Bedeutung verblasst sind. [Burger 2007: 16]
Für das analysierte Korpus tritt dieser Fall nicht zu, denn es enthält keine
Phraseologismen, die nur aus synsemantischen Wörtern bestehen.
2.2 Festigkeit oder Stabilität
Phraseologismen unterscheiden sich von freien Wortverbindungen durch solche
Kriterien wie Festigkeit oder Stabilität.
Phraseologismen unterscheiden sich von den freien Verbindungen, da die
letztgenannten ‚frei‘ kombinierbar sind und ihre Bedeutung das Ergebnis der
Summe einzelner Komponenten ist. Die Prinzipien der Kombinierbarkeit und
Erkennbarkeit sind demnach den freien Verbindungen eigen, nicht aber
Phraseologismen. Ihre Strukturen sind fest gebunden und die Bedeutung der
ganzen Einheit ist nicht aus den einzelnen Komponenten ableitbar. [Segura
García: 1998: 23]
Nach diesem Kriterium weist ein Phraseologismus verschiedene Formen der
Festigkeit auf.
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Die Festigkeit oder Stabilität der phraseologischen Verbindungen werden von
verschiedenen Autoren hervorgehoben. So unterstreicht Häussermann (Segura
García, 1998, 37) solche Typen von Festigkeit von Phraseologismen:
1) Die Festigkeit im Gebrauch (Phraseologismen als Einheiten der Sprache)
2) Die struktursemantische Festigkeit
3) Die morphologische Festigkeit (Phraseologismen besitzen ein
eingeschränktes Flexionsparadigma ihrer Konstituenten)
4) Die syntaktische Festigkeit (geringere Bewegungsmöglichkeit der
Konstituenten der Phraseologismen)
5) Die Festigkeit der Bedeutung und des lexikalischen Bestandes (geringere
Kommutierbarkeit der Elemente der Phraseologismen durch Synonyme)
6) Pragmatische Festigkeit
7) Psycholinguistische Festigkeit
Bei den angedeuteten Typen von Festigkeit sieht man, dass die phraseologischen
Verbindungen nicht modellierbar sind und auch den geringsten Synonymaustausch
aufweisen.
Bei der Festigkeitsanalyse werden die spanischen und italienischen
Phraseologismen auch auf der Ebene der generativen Grammatik verglichen. Bei der
generativen Grammatik handelt es sich nach Chomsky (Müller, 1998, 12) um eine
Grammatik, die alle grammatischen Sätze einer Sprache generiert und nur diese.
Jeder Äußerung wird eine strukturelle Beschreibung zugewiesen, die die
Bestandteile und ihre strukturellen Beziehungen anzeigt. Bei der Analyse von
Phraseologismen auf der generativen Syntax wird auf die folgende Terminologie von
Müller (id.13) zugegriffen.
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Bezeichnung Bedeutung
S NP VP Satz
NP (DET) (AP) N (PP) oder
NP (DET) N (AP) (PP)
Nominalphrase
VP V (NP) (PP) Verbalphrase
AP (Adv) A (PP) Adjektivphrase
PP P NP Präpositionalphrase
CP Complementizer Phrase
N Nomen
V Verb
A Adjektiv
Adv Adverb
P Präposition
DET Determinierer
COMP Konjunktion
Neg Negation
Laut Müller (id. 10) unterscheidet man beim Aufbau der Phrasen eine lexikalische
Ebene (Ebene der Wörter) und eine phrasale Ebene. Die lexialischen Kategorien
sind N (Nomen), V (Verb), A (Adjektiv), P (Präposition), Adv (Adverb). Die phrasalen
Kategorien sind NP (Nominalphrase), VP (Verbalphrase), AP (Adjektivphrase), PP
(Präpositionalphrase). Die Regeln, mit denen sich die Phrasen bilden lassen, nennt
man Phrasenstrukturregeln (PS-Regeln). Die Interaktion dieser Regeln untereinander
ergibt ein Regelsystem, mit dem eine Satzstruktur generiert werden kann.
2.3 Idiomatizität
Zu den Hauptkriterien, die Phraseologismen beschreiben, gehört auch die
Idiomatizität.
Der Begriff „Idiomatizität“ umfasst einerseits die strukturellen Anomalien, die
einen Aspekt der Festigkeit ausmachen, anderseits die spezifisch semantischen
Besonderheiten, die viele Phraseologismen von freien Wortverbindungen
abheben. [Burger 1998: 31]
Bei der Idiomatizität findet die semantische Umdeutung einzelner Komponenten
oder des ganzen Phraseologismus statt. Die Phraseologismen bestehen aus der
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Zusammensetzung von Elementen, die bei ihrer Interpretation „einen Umweg
machen“ und von der tatsächlichen Bedeutung ablenken.
Die semantische Umsetzung, die bei jedem festen Ausdruck vermutet wird, wird
durch die Darstellung der spezifischen und partikulären Einheit bestimmt, deren
Sinn aus der Bedeutung ihrer Komponenten nicht hervorgehen kann. [Segura
García: 1998: 20]
Die einzelnen Komponenten geben ihre freie Bedeutung zu Gunsten einer neuen
Bedeutung auf.
Bei einem kontrastiven Vergleich von Phraseologismen spricht man von
verschiedenen idiomatischen Äquivalenztypen.
Nach Dobrovols’kij (Dobrovols’kij, 1988, 58) betrachtet man die Phraseologismen
einer Ausgangssprache und einer Zielsprache als Äquivalente, wenn es zwischen
beiden eine ‚Übersetzungsbeziehung‘ gibt. Also bezieht sich die Äquivalenz sowohl
auf die Ausdrucks- als auch auf die Inhaltsstruktur. Es lassen sich jedoch
verschiedene Äquivalenzstufen bestimmen.
Die Äquivalenz der Idiomatik bezieht sich auf Äquivalenzen der Inhalts- und
Ausdrucksstruktur. Dabei sind die verschieden Kriterien, die eine Äquivalenz
bestimmen, wichtig. Als Kriterien gelten nicht nur die Denotation des
Phraseologismus, sondern auch das Bild, die idiomatische Struktur und die
Konnotationen. So unterscheidet Dobrovols’kij (id. 59) vier Grundtypen von
Äquivalenzen. Das sind Volläquivalenz, partielle Äquivalenz, Nulläquivalenz und
Scheinäquivalenz, auch Falsche Freunde genannt. Innerhalb der partiellen
Äquivalenz lassen sich noch verschiedene Untertypen aufstellen, die nach den
Kriterien der Bedeutung, des Bildes, der Konnotationen sowie der Valenzen zu
unterscheiden sind.