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KAPITEL 1
Kurze Einführung in der Geschichte der Sprachdidaktik
Ich höre, ich vergesse.
Ich sehe, ich erinnere mich.
Ich tue, ich verstehe.
Chinesisches Sprichwort
Es ist wichtig die Geschichte der Sprachdidaktik zu kennen, um die Entwicklung der
Lehrmethoden der Fremdsprachen zu begreifen. Insbesondere für die Lehrenden, die
durch die Fehler der Methoden der Vergangenheit, ihre eigenen didaktischen Fehler
wahrnehmen können.
In diesem Kapitel werde ich mich an die Rekonstruktion der Geschichte der
Sprachdidaktik von Ricci Garotti („La Rivincita di Cenerentola“) halten und werde
die wichtigsten Etappen durchgehen, die an die moderne Theorie der Sprachdidaktik
geführt haben.
1. Antike: die Philosophen und die Sprache
Bereits in der Antike wird der Grundstein für die Entwicklung der Sprachdidaktik
gelegt. In der Antike war die Sprachbetrachtung eng mit philosophischen Problemen
verbunden und im Laufe der Zeit haben sich die verschiedenen Ideen der Philosophen
über die Sprache einander abgewechselt. Die wichtigsten Theorien darüber waren die
von Aristoteles und Platon. Aristoteles vertrat die These, dass der menschliche Geist
bei der Geburt eine Tabula rasa - ein „unbeschriebenes Blatt“ - sei der von der
Erfahrung beschrieben wird. Das gilt auch für die Spracherlernung, die sich
entwickelt, so wie die Erlernung der Verwendung von den anderen Sinnen, d.h. durch
die Erfahrung. Er hatte also eine empirische Anschauung des Sprachlernens.
Im Gegenteil ging Platon von der Annahme eines angeborenen Wissens aus, der fast
göttlich ist. Deshalb ist die Sprache auch angeboren.
Trotz dieser Meinungsverschiedenheit, ist interessant für die Sprachdidaktik, dass die
gemeinsame Idee Platons und Aristoteles, die Erlernung jeder weltlichen Sprache
betrifft. Auch die Philosophen, die sich später mit der Sprache beschäftigt haben, wie
bspw. Descartes und Comenius, die derselben Meinung wie Platon waren, haben die
Theorie geteilt, dass das Sprachenlernen empirisch sein soll und dass es gleich für
alle Sprache ist.
2. Moderne: das 20. Jahrhundert und die erste Methoden
Die Sprachdidaktik wurde lange als eine interdisziplinäre Wissenschaft angesehen.
Man konnte sie auch wie eine „schwammartige Schnur [bezeichnen], die alle Sprach-
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und Humanwissenschaften umgibt, um ihre Energie zu absorbieren, und kann sich
nicht allein stützen: ein wissenschaftlicher Parasit“. (RICCI GAROTTI, 2004) Man
behauptete, sie sei reine Praxis.
Nach 1945, dank der Globalisierung und der Notwendigkeit mit fremden Völkern zu
kommunizieren, verstand man, dass die Sprachdidaktik wie eine autonome
Wissenschaft betrachtet sein sollte (der Einfluss der Linguistik ist trotzdem noch sehr
hoch in den ersten sprachdidaktischen Methoden). Man verstand, dass die
Sprachdidaktik, sowohl eine theoretische als auch eine praktische Wissenschaft ist:
aus der Praxis leitet man eine didaktische Theorie ab, die die neue Praxis beeinflusst.
Von dieser Zeit an, wuchs das Interesse für das Fremdsprachenlernen: in den 50er
und 60er Jahren widmet sich nur die Bourgeoisie dem Studium der Fremdsprachen in
Italien, aber in den 60er Jahren erreicht man endlich eine Wendepunkt. Der
Fremdsprachenunterricht wird ab der ersten Klasse der Scuola media obligatorisch
eingeführt (eine Fremdsprache zur Auswahl)
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- im ganzen Europa wurden
mittlerweile die Fremdsprachen schon in dem Kindesalter experimentell gelernt -.
Es entstehen in diesen Jahren die ersten didaktischen Methoden: die Grammatik-
Übersetzung-Methode und die Audiolinguale Methode. Die Grammatik-Übersetzung-
Methode ist erst ab Ende des 18. Jahrhunderts in Lehrwerken und anderen Quellen
deutlich zu erkennen, aber sie wurde schon bevor benutzt. Sie ist immer die Basis der
Sprachdidaktik der Vergangenheit gewesen. Die Audiolinguale Methode stammt aus
Behaviorismus, ein wissenschaftstheoretischer Standpunkt, dass das Verhalten von
Menschen und Tieren mit den naturwissenschaftlichen Methoden untersucht.
„Der Behaviorist fragt: Weshalb machen wir nicht zum Hauptgebiet der
Psychologie, was wir beobachten können? Wir wollen uns auf diese Dinge
beschränken und nur für sie Gesetze aufstellen. Was können wir aber
beobachten? Wir können das „Verhalten“ beobachten das, was der
Organismus tut und sagt. Dabei stelle ich zugleich ausdrücklich fest, daß
Sagen Tun, d. h. Verhalten ist. Laut sprechen oder zu sich selbst sprechen
(denken) ist eine ebenso objektive Art des Verhaltens wie Fußballspielen.“
(WATSON, 1950)
Die Behavioristen unterscheiden zwischen „Reiz“ und „Reaktion“. Mit dem
Ausdruck „Reiz“ bezeichnen sie „jedes Objekt der Umwelt oder jede Veränderung
der Gewebe selbst, die den physiologischen Bedingungen des Lebewesens
entsprechen; etwa die Veränderung, die erfolgt, wenn wir jede sexuelle Aktivität
eines Tieres unterhindern, es von der Nahrung fernhalten, es am Nestbau hindern“.
(WATSON, 1950) Unter Reaktion versteht man „alles, was ein Lebewesen tut:
Hinwenden zum oder Wegwenden vom Licht, Aufspringen beim Vernehmen eines
Schalls oder Lautes, und hoher entwickelte Fähigkeiten, wie etwa das Bauen von
Wolkenkratzern, Zeichnen von Planen, Schreiben von Büchern usw.“ (WATSON,
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Norm des 31. Dezember 1962, n. 1859
(Insegnamento delle lingue straniere nelle scuole europee, Commissione Europea, progetto Eurydice, 2001)
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1950). Dieses behavioristische Prinzip wird Reiz-Reaktion Prinzip (oder Stimulus-
Response-Prinzip) genannt.
2.1 Grammatik-Übersetzungsmethode
Die Grammatik-Übersetzungsmethode entwickelt sich in den 60er Jahren. Diese
Methode ist auf dem Studium der Form der Sprache und auf der Übersetzung basiert,
deshalb arbeitet man immer mit der Schriftsprache. Sie ist eine deduktive Methode:
es gibt vorgegebene Regel, mit denen man Beispielsätze erfindet. Ziel des
Sprachunterrichts besteht darin, dass die Lernenden die Fähigkeit entfalten,
literarische Texte aus der Fremdsprache zu übersetzen und zu interpretieren. Die
didaktische Strategien, die verwendet werden, um dieses Ziel zu erreichen, sind: die
Übersetzungen, das Sicheinprägen von Regeln (oft in L1), das Diktat, die
Zusammenfassung von Schrifttexten. In der Grammatik-Übersetzungsmethode spielt
der Lehrende eine wichtige Rolle: er muss den Kodex der Target-Sprache erklären,
d.h. die Gesamtheit der sprachlichen Regeln, und kontrollieren, dass der Lernende sie
sich eingeprägt hat. Der Feind dieser Methode ist der formale Fehler, der mit allen
Waffen von dem Lehrenden bestritten wird.
Diese Methode scheitert wegen ihrer zu starken Formalität. Die Grammatik-
Übersetzungsmethode war für das Studium der toten Sprachen benutzt, aber sie
konnte nicht mit den modernen Sprachen funktionieren. Diejenigen, die mit dieser
Methode eine Sprache lernen, erwerben eine metalinguistische Kompetenz: sie
können über eine Sprache sprechen, aber nicht die Sprache sprechen. Andere Fehler
der Methode sind die Idee, dass die Sprache ein System von Normen sei, die geteilt
präsentiert werden müssen und die Überzeugung, dass die Lernenden alles das, was
der Lehrende lehrt, lernen.
2.2 Audiolinguale und Audiovisuelle Methode
Die Audiolinguale Methode entwickelt sich in den 40er Jahren v. a. in den USA und
ist auf Behaviorismus basiert. Einer der wichtigsten Vertreter der behavioristischen
Theorien ist der russische Physiologe Iwan Pawlow (1849-1936). Pawlow führte
folgendes Experiment auf einem Hund durch: er klang einen Glockenton wiederholt
in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Anbieten von Futter, und nach einigen
Tagen reagierten die Hunde auf den Ton allein mit Speichelfluss. Pawlow
bezeichnete dieses Phänomen als „Konditionierung“ und das zeigt, dass ein
wiederholter Reiz die Hunde – bzw. die Personen - zu reagieren bringt.
Diese Erfindung wurde dann mit dem Sprachenlernen verwendet und so entstand die
Audiolinguale Methode. Die Methode basiert auf der systematischen Übung von
Satzmustern, durch Imitation und Repetition. Hauptziel der Methode ist die
Fertigkeiten des Hörens und Sprechens. Das ist jedoch ein psychologischer Überfall
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und auch der Grund, warum die Methode nicht funktioniert. Die Lernenden können
somit nicht frei in der Zielsprache kommunizieren.
2.3 Die 70er Jahren: die Kommunikative Wende
Bis zu den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts dominierten die behavioristischen
Methoden in Schulen und Universitäten und die Unterrichte waren deswegen frontal.
Ab diesem Zeitpunkt wurden Theorien entwickelt, die die Sprache nicht mehr als ein
System betrachteten und die die kommunikative Kompetenz als Ziel der Didaktik
angaben. In diesem Zusammenhang spricht man von Kommunikativer Wende.
Die Kommunikative Wende stammt aus dem jetzt erreichten Bewusstsein, dass die
Sprachkompetenz, nicht nur mit der linguistische Kenntnisse zu tun hat - d. h. man
beherrscht eine Sprache nicht, indem man ihre Regeln lernt - und dass die
Sprachdidaktik eine Wissenschaft für sich ist. Wer eine Sprache lernt, soll nicht nur
eine Sprachkompetenz haben, sondern auch eine kommunikative Kompetenz. Das
Ziel des Lernenden muss sein, die Fremdsprache konkret benutzen zu können. Um
die kommunikative Kompetenz zu erreichen, muss die Sprachlehre auf konkreten
Situationen basiert sein. In diesem Hintergrund werden sich neue Methoden
ausgedacht, wie z.B. die erfolgreiche didaktische Einheit.
2.3.1 Kommunikative Methode: Didaktische Einheit
Die didaktische Einheit hatte sofort einen großen Erfolg. Alle Lehrer wandten diese
moderne Methode an und dasselbe taten auch die Lehrwerkautoren und die Autoren
didaktischer Zeitschriften. Diese Methode hatte nämlich den Unterricht strukturiert,
sodass es für die Lehrenden leichter wurde, die Unterrichtsstunde kompetent zu
gestalten. Diese Struktur ist auf fünf Phasen basiert:
1) Warm up activities: am Anfang des Unterrichts gibt es eine kurze Phase von
Erwärmung;
2) Einführung: der Inhalt des Unterrichts wird erklärt, meistens aufgrund von
Schrifttexten oder mündlichen Texten;
3) Praxis: das, was in der Einführungsphase gelernt wird, wird jetzt geübt, um die
neue Begriffe zu lernen;
4) Produktion: das, was man gelernt hat, wird in anderen Kontexten benutzt;
5) Prüfung und Leistungsbeurteilung (mit Note).
Die didaktische Einheit, trotz ihres Erfolgs, hat aber viele Probleme:
Die Lernenden, wenn sie außerhalb des Unterrichts sind, können nicht
kommunizieren oder verstehen, was der deutsche Erstsprachler sagt.
Zwischen den vier Phasen gibt es keine Übergangsphase.