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EINLEITUNG
Lò che i pré d’istà l’è dut n fior,
lò che i monc e l ciel i à l più bel color,
lò che se per goder pasc de paradis:
là le Val de Fascia, lò l’è l mie paisc!
(La cianzon de la Val de Fascia
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)
Das ist ein berühmter Refrain eines Gesanges des ladinischen Fassatales. Wenn die Touristen
ihren Urlaub in diesem schönen Tal verbringen, kommen sie in Kontakt mit einer neuen
Kultur, einer neuen Sprache: dem Ladinischen. Aber was ist das Ladinische und kann man
über Ladinia sprechen?
Das Ladinische, oder Rätoromanische, ist eine romanische Sprache. Diese Sprache besteht
mit dem Bündnerromanischen, das in Gebieten Graubündens gesprochen wird, und mit dem
Furlanischen in enger Verwandtschaft steht. Diese drei Sprachen gehören zum Oberbegriff
der rätoromanischen Sprachen. Diese Sprachen haben feste phonetische, morphologische und
lexikalische Eigenheiten, und das ist ein Beweis, um ein Sprachkontinuum anzunehmen.
Diese Eigenheiten sind:
- Palatalisierung von C und G vor A, wie ciaval (Pferd); giat (Katze) etc.
- Mehrzahlbildung mittels der Endung -s (neben anderen Arten der Pluralbildung), z.B.
ciases (Häuser);
- Bildung der 2. Person des Verbes mit -s (te ciantes = du singst),
- Fehlen des jüngeren Konditionals (portarava, -aría; porterebbe, trägen), an dessen
Stelle gewöhnlich, wie im Lateinischen, der Konjunktiv Imperfekt gebraucht wird,
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Das ist meine Übersetzung: „Dort, wo die sommerliche Weide blühen, wo die Gebirge und die Himmel die
schönste Farbe haben, wo man der Friede des Paradieses genießt, dort liegt das Fassatal, dort liegt meine
Heimat.“
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- Bewahrung der Konsonantengruppen PL, BL, FL, CL, GL (z.B. plajëi, ital. piacere =
gefallen), flé (fiato - Atem),
- Schwund der unbetonten Endvokale -o und -e (tet, Dach, oder man, Hand).
Hinzu kommen Besonderheiten der Syntax und des Wortschatzes. Es haben sich im
Ladinischen vorrömische Wörter gehalten.
Einige dieser Eigenschaften charakterisieren das Dolomitenladinische, das Rätoromanische
und das Friaulische und sie sind besonders konservativ.
Man findet ein wesentliches Sprachkontinuum zwischen den ladinischen Dialekten, die in den
Dolomitentälern gesprochen werden, und den italienischen Dialekten, an die sie grenzen.
Diese Dialekte sind Venetisch und Lombardisch. Eine feste Sprachgrenze kann man nur
zwischen dem Dolomitenladinischen und dem deutschsprachigen Gebiet entstehen, weil die
ladinischen Eigenheiten im Trentino und in Venetien von den venetisch – lombardischen
Dialekten durchsetzt sind, wie die uralten Ortsnamen und die phonetischen und lexikalischen
Spuren bezeugen.
Der rätoromanische Sprachraum wurde durch die Völkerwanderung und den weiteren
Sprachraumverlust in drei getrennte Gebiete aufgeteilt, die eine jeweils einige Entwicklung
durchgemacht haben:
- Graubünden, mit dem Rumantsch,
- Die Dolomitentäler, mit dem Ladin,
- Das Friaul, mit dem Furlan.
Rätoromanisch
Bei der Schweizer Volkszählung von 2001 gaben nur noch 35.095 Romanisch als
Hauptsprache an. Wegen der früherer Abgeschiedenheit vieler Orte und Täler des Kantons
Graubünden haben sich verschiedene Idiome entwickelt, die sich in fünf Gruppen gliedern
lassen:
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- Sursilvan: verbreitet im Vorderrheintal und dessen Seitentälern sowie in der Region
Imboden mit den Ortschaften Domat / Ems, Rhäzüns, Bonaduz und Trin. Letztere
Ortsdialekte gehören aufgrund ihrer sprachlichen Merkmale zwar eigentlich zum
Sutsilvan, geschrieben wird jedoch nur Sursilvan.
- Sutsilvan: in Gebieten des Hinterrheins, nämlich in den Berggemeinden des
Domleschgs und des Heizenbergs, sowie in Schams und im Val Ferrera.
- Surmiran: verbreitet im Albulatal, in der Gemeinde Vaz, Obervaz und im
Oberhalbstein.
- Puter: im Oberengadin und in Bergün, das geografisch nicht zum Engadin gehört und
einen dem Surmiran nahestehenden Ortsdialekt aufweist.
- Vallader: verbreitet im Unterengadin und im Münstertal.
Dieser fünf Idiome hat eine eigene Schriftsprache entwickelt, die allerdings selbst einen
Kompromiss zwischen verschiedenen Orts- und Regionaldialekten darstellt. Solche
Regionaldialekte sind etwa in Surmeirischen das Surses (gesprochen im Oberhalstein) und
das Sutses (gesprochen im Albulatal) sowie im Unterengadinischen das Jauer (gesprochen im
Münstertal).
Furlan
Es wird heutzutage vor allem in den Provinzen Pordenone, Udine und in den karnischen
Alpen gesprochen. Weit verbreitet ist es darüber hinaus in der Provinz Görz und im Osten der
Region Venetien. In der Vergangenheit war das Friaulische jedoch noch weiter verbreitet, da
es auch in Triest und Muggia gesprochen wurde. Bis in die 1960er Jahre war Friaul eine
Gegend, die von hoher Armut geprägt war, weshalb viele Einwohner nach Frankreich,
Belgien und in die Schweiz auswanderten. Die vier größeren Dialektgruppen des
Friulanischen unterscheiden sich in erster Linie anhand der Endvokale von Nomen und
Adjektiven:
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- Zentralfriaulisch, gesprochen in der Provinz Udine,
- Nordfriaulisch, gesprochen in Karnien,
- Westfriaulisch, gesprochen in der Provinz Pordenone.
Das offizielle Schriftsystem, das von der Provinz Udine in offiziellen Dokumenten verwendet
wird, besteht aus dem lateinischen Alphabet und dem C – Cedille (ç).
Ladinisch
Die Dolomitenladiner bewohnen die fünf Täler rund um das imposante Sella–Massiv. Das
ladinische Sprachgebiet verteilt sich über drei Verwaltungsregionen, was die Isolierung der
Talschaften untereinander verstärkt. Ladinisch wird einerseits in Teilen der Region Trentino –
Südtirol gesprochen. Hierzu zählen das Grödental und das Gadertal mit dem Seitental
Enneberg, die in der Provinz Bozen liegen, das Fassatal in Provinz Trient und Buchensteintal
in der Provinz Belluno. Darüber hinaus wird das Ladinisch in der Provinz Belluno in der
Region Venetien gesprochen, so im Tal von Buchenstein (Fodom) und von etwa 40 % der
Bevölkerung von Cortina d'Ampezzo. Neben den fünf ladinischen Tälern wird Ladinisch auch
in den ausgrenzenden Talschaften Comelico, Agordino und Cadore gesprochen. Die
Sprachform, des von heutigen ladinischen Sprachgebietes abgetrennten Nontals in der
Provinz Trient, wird meist ebenfalls als ladinisch ausgesehen. Das heutige Ladinisch lässt sich
in fünf Idiome aufteilen:
- Maréo / Badiot, d.h. Ennebergisch / Abteitalisch,
- Gherdëina, d.h. Grödnerisch
- Fascian, d.h. Fassanisch,
- Ampezan, d.h. Ampezzanisch,
- Fodom, d.h. Buchensteinisch.
Als Dolomitenladinisch wird jene Gruppe von Idiomen bezeichnet, die in den Tälern rund um
die Sellagruppe gesprochen werden: Gadertalisch mit seinen drei Varianten: badiot
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(Obergadertal), ladin de mesaval (Mittelgadertal) und marou (Gemeinde Enneberg);
Grödnerisch (Gröden); Fassanisch, das in die drei Varianten cazet (Oberfassanisch), brach
(Unterfassanisch) und moenat (Mundart von Moena) unterteilt wird; Buchensteinisch, bei
dem zwischen der Variante Fodom und der Variante von Colle Santa Lucia unterschieden
wird. Dazu kommt noch Ampezzanisch, das Idiom von Cortina d'Ampezzo. Auch wenn
letzteres Idiom sich in einigen Punkten von den anderen Varianten unterscheidet, kann es
nicht zuletzt wegen des kulturhistorischen Hintergrunds, wegen linguistischer
Gemeinsamkeiten und wegen der ideologisch-kulturellen Beziehungen dem
Zentralladinischen zugeordnet werden. Die ladinischen Idiome Badiotisch, Grödnerisch,
Fassanisch und Ampezzanisch zeichnen sich nicht nur durch eine Reihe von ähnlichen
sprachlichen Merkmalen aus, sondern können auch auf ein gemeinsames historisches Erbe
und eine eigene besondere Kulturtradition verweisen.
Im Fleimstal setzen die Idiome mit trentiner und venetischen Elementen durch, aber sie
enthalten ladinische Eigenheiten. In Venetien liegt das ladinische Gebiet in dem norde-
westlichen Regionalgrenze. Wir können finden, das Buchenstein, das ganze Cadore und
Comelico und der Fiorentina - Tal ladinisch sind. Hier muss man eine Unterscheidung
machen: Buchenstein, Colle St. Lucia und Ampezzo bezeichnen sich als ladinisch, weil sie zu
der Österreichern kaiserlichen Gewalt gehörten und ihre Geschichte mit den anderen
ladinischen Täler eng in Verbindung brachten. Das Cadore, Comelico und das Fiorentina –
Tal rechtfertigen sich ihre Ladinität, weil sie zu der ladinischen Gemeinschaft gehören
wollen. In diesem Fall nehmen politischen und soziolinguistische Begründungen teil.
I. Die sprachwissenschaftliche Entdeckung des Ladinischen und die Ladinische
Frage
Wir haben schon gesagt, dass diese drei Sprach-Gebiete viele linguistische Eigenschaften
gemeinsam haben, auch wenn jede eigene geschichtliche Entwicklung hat. Diese
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Eigenschaften existieren schon in den Ursprache und wir können heute in den angrenzenden
romanischen Sprachen wiederfinden. Die Merkmale der ladinischen Idiome genau zu
definieren, ist ein langwieriges Unterfangen, da jede Variante ihre eigenen Besonderheiten
aufweist. Große Schwierigkeiten ergeben sich auch dadurch, dass nicht alle Sprachforscher
das Ladinische als eigene Sprache anerkennen, sondern die Idiome des Dolomitengebiets
vielmehr den norditalienischen Dialekten zurechnen. Und das obwohl die oben genannten
Varianten viel konservativer sind als die benachbarten Dialekte.
Um 1850 begann die wissenschaftliche Erforschung der ladinische Sprache. Als erster
Sprachforscher befasste sich Graziadio Isaia Ascoli ausführlich mit dem Ladinischen. Er war
der Erste, der diese Koexistenz beobachtete. Er wandte sich dem Sprachstudium an und er
war Professor an der Akademie in Mailand. Er beschäftigte sich mit vergleichender
Sprachwissenschaft (Indogermanisch, Semitisch, Türkisch, Chinesisch und Sanskrit). Später
wandte er sich hauptsächlich dem Indogermanischen und seit 1870 auch dem keltischen und
Neulateinischen zu. Mit dem aufseherregenden Ergebnis dieser Studien, „Saggi Ladini“,
begann er 1873 die Herausgabe des „Archivio Glottologico Italiano“. In diesem Schrift prägte
er, zum ersten Mal, eine Definition des „Ladinischen“ und das ladinische Sprachgebiet in
seinen Grenzen zusammen. Nach Ansicht von Ascoli gehört das Dolomitenladinische
zusammen mit Rumantsch und Furlan zu den drei ladinischen Sprachinseln. Er nennt diese
besondere Sprache mit dem Name „ladino“, weil er aus der Name „ladin“, der von den
Einwohner der Gemeinde Thurn an Gader und in Graubünden, um ihre Sprache zu definieren,
benutzen, folgerte.
Später führte Theodor Gartner (1843 - 1925) die Bezeichnung „Rätoromanisch“ ein, um
dieselbe Entität zu bestimmen. Theodor Gartner (1843 - 1925) war Professor für romanische
Philologie an der Universität Czernowitz und dann Professor an der Universität Innsbruck, als
Erster auf dem neu errichteten Lehrstuhl für romanische Philologie.
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„Rätoromanisch“ wurde, wie andere ähnliche Bezeichnungen, z. B. gallo–romanisch, ibero–
amerikanisch geprägt. Leider werden „Ladinisch“ und „Rätoromanisch“, oft verwechselt.
Heutzutage entspricht der Begriff „Ladinisch“ dem Dolomitenladinischen, d.h. mit den
Sprachen, die in den Tälern rund um das Sella – Massiv gesprochen wurden und
„Rätoromanisch“ mit den Sprachen, die im Kanton Graubünden gesprochen werden.
In seinem Werk versucht Ascoli eine Klassifikation auf innerlinguistischer Ebene, lautlicher
Ebene, lautlicher Merkmalen, die typisch sind für das Ladinische. Ascoli hat den Begriff des
„Ladino“ geprägt. Sein wichtiger Anhänger Gartner hat eher Rätoromanisch verwendet. Er
hat eine Rätoromanische Grammatik verfasst. Ascoli prägt zudem den Begriff „Unità
Ladina“, da er überzeugt war, dass sich Leute, die Friaulisch, Graubündnerisch und Ladinisch
sprechen, verstehen können. Zudem stand für ihn fest, dass sich die Lautmerkmale des
Ladinischen von anderen Dialekten abheben.
Ascoli und Gartner stehen am Beginn der ladinischen Frage. „Questione Ladina“ nennt man
die Frage, ob zwischen dem in Graubünden gesprochenen Romanisch, dem in den Tälern um
die italienischen Dolomiten gesprochenen Ladinisch und dem im Friaul gesprochenen Furlan
eine enge Sprachverwandtschaft besteht, und ob es deshalb gerechtfertigt ist, diese drei
Sprachen unter einem Oberbegriff, Rätoromanisch oder Alpenromanisch zusammenzufassen.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts und bis heute ist diese Frage unter zwei Gruppen von
Sprachwissenschaftlern umstritten. Die „Questione Ladina“ ist zwei Gruppen geteilt: das
Ansicht der Ascolianer und das Ansicht der Battistianer. Ascoli und Gartner, die erste
Gruppe, postulieren, es existierten so viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Romanischen,
dem Ladinischen und dem Furlanischen, dass man von einer Art rätoromanischer „Ursprache“
im Gebiet zwischen Oberalppass in der Schweiz und dem Friaul in Italien auszugehen habe.
Diese Einheit hätte sich in der Folge durch die geographischen Gegebenheiten stark in
Dialekte zergliedert; durch die Ausbreitung des Deutschen nach Süden und des Italienischen
nach Norden sei die ursprüngliche Einheit zerrissen worden.
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Gegner Ascolis war Carlo Battisti. Für ihn ist das Rätoromanisch sehr ähnlich den
Lombardischen und Venezianischen Dialekten und somit sind für ihn das Friaulische Dialekte
des Italienischen. Für Battisti gibt es keine rätoromanische Einheit und er sieht eine gewisse
Ähnlichkeit zu den Lombardischen, Trentinischen und Venezianischen Dialekten, d.h.
Ladinisch ist ein Dialekt des Italienischen und eine Kontaktsprache zur Schweiz. Es gibt
keine abweichende Ladinische Sprache, das sind einfach nur archaische Ausläufer der
Lombardischen, Trentinischen und Venezianischen Dialekten. Man kann seine Theorien in
diesen Punkten sammeln:
1. Es existiert keine einheitliche Ladinische Sprache und es hat auch nie eine einheitliche
Ladinische Sprache existiert.
2. kein einheitliches geographisches Gebiet: die drei Ladinischen Gruppen bilden keinen
einheitlichen geographischen Raum, sondern haben sie in den einzelnen Tälern
verschieden und unabhängig voneinander entwickelt. Battisti macht aber einen
Unterschied zwischen Bündnerromanisch und Dolomitenladnische und Friaulisch. Für
ihn bildet Friaulisch einen einheitlichen Dialekt, da es ein geographisches Gebiet des
Friaulischen gibt mit städtischem Zentrum.
3. die Ladiner waren nie ein einziges Volk.
4. Ladinische Dialekte stoßen ans Italienische: wenn man Dialekte untersuchen und
erforschen will, so kann man nicht nur den Dialekt im entsprechenden Gebiet
untersuchen, sondern man muss auch die Dialekte der Umgebung untersuchen. Somit
stoßen laut Battisti die Ladinischen Dialekte direkt ans Italienische an Kontinuum.
5. Auf politischer Ebene gibt es aber eine ladinische Einheit.
6. Die Substrate sind in den Gebieten unterschiedlich, daher kann es keine Einheit
geben. Dass es keine einheitlichen Substrate gibt, stimmt, allerdings gilt das auch fürs
Italienische.
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7. Ladinisch ist gleich an Romanisch und daher Italienisch: die Grundidee von Battisti
und seinen Anhängern ist, dass alle romanischen Sprachen auf italienischem Gebiet
Italienisch sind.
8. Für Battisti sollte das Italienische alle Ladinischen Sprachen überdachen.
9. Ladinisch hat kein Recht auf eine Schriftsprache: da keine politische und
geographische Einheit.
Ladiner werden als erziehbar angesehen: erziehbar im Sinne der Nationalstaatsidee, d.h. die
Ladiner können Ladiner bleiben, wenn sie sich als Italiener bekennen. Battisti hat die
Wissenschaft in den Dienst des Nationalstaats gestellt und stellte den Politikern seine
wissenschaftlichen Fähigkeiten zu Verfügung. Er war der Meinung, dass sie alle Leute auf
italienischem Staatsgebiet zu Italienisch bekennen sollten und sich auch als Italiener fühlen
sollten. Dann können sich auch Ladiner bleiben.
Der Streit zwischen Ascolianern und Battistianern wurde zunächst rein wissenschaftlich
geführt. Seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts allerdings wurden die Positionen Battistis auch
von Vertretern des italienischen Irredentismus übernommen. Diese sahen in Battistis
Ansichten eine Stütze für ihre Theorie, wonach Bündnerromanen, Dolomitenladiner und
Friulaner eigentlich italienisch sprächen und demzufolge Italiener seien, die in einem
Italienischen Staat vereinigt werden müssten. Damit hätte auch der Schweizer Kanton Tessin
und der größte Teil Graubündens an Italien angeschlossen werden müssen. Das
Grundproblem besteht aus heutiger Sicht darin, dass die Politik nicht Erkenntnisse der
historischen Sprachwissenschaft für die Bewertung aktueller Probleme heranziehen darf.
Gleichgültig, ob Romanisch, Ladinisch und Furlanisch historisch gesehen eigentlich
„oberitalienische“ Dialekte darstellen oder nicht, besteht heutzutage bei den meisten
Sprechern dieser Dialekte kein solches Bewusstsein.
In jüngster Zeit hat es einige Versuche gegeben, die Diskussion auszuweiten, so haben einige
Nonstaler behauptet, auch eine rätoromanische/ladinische Variante zu sprechen. Dies hängt
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damit zusammen, dass die Ladiner im Trentino – Südtirol eine besondere Autonomie
besitzen. Das auffälligste Merkmal der drei Dialekträume ist die Tatsache, dass sie sich nicht
eindeutig einer der großen romanischen Sprachen zuordnen lassen. Sie werden deshalb als
vulgärlateinische Restsprachen angesehen, die sich anders als die umliegenden romanischen
Mundarten nicht an die modernen Standardsprachen angenähert haben.
II. Minderheitensprache oder Regionalsprache?
Minderheitensprachen bezeichnen die von ethnischen oder anderen Minderheiten
verwendeten eigenständigen Sprachen. Als Minderheiten gelten meist Bevölkerungsgruppen,
die sich eine eigene Sprache, Kultur und Geschichte, also eigene Identität von der Minderheit
der Bevölkerungsgruppe in der sie leben, unterscheiden. Bei den Minderheitengruppen, die
eine eigene Sprache haben, die daher als Minderheitensprache bezeichnet wird, handelt es
sich um eine ethnische Minderheit. Insgesamt ist der Begriff der Minderheitensprache jedoch
recht problematisch, da allein das Wort auch eine numerische Minderheit impliziert.
Eine Regionalsprache hingegen steht immer in Verbindung mit der Region, in der sie
gesprochen wird. Jedoch ist es nicht grundsätzlich möglich zwischen Minderheiten - und
Regionalsprache klar zu unterscheiden. In der „Charta der Grundrechte der Europäischen
Union“ sind die Regional – und Minderheitensprachen in drei Gruppen gegliedert:
Sprachen, die in einer bestimmten Region gesprochen werden, die sich ganz oder teilweise
über einen oder mehrere Mitgliedstaaten erstrecken. Zu dieser Gruppe gehören Sprachen wie
das Baskische, das Bretonische, das Friesische, das Sardische, das Gälisch usw.
Sprachen, die in einem Staat von einer Minderheit gesprochen werden und zugleich
Amtssprache eine andere EU – Landes sind. Zu dieser Gruppe gehören Sprachen wie das
Französisch in Aostatal. Sprachen, die nicht territorial verankert sind, wie Romanes, die
Sprache des Volkes der Sinti, Jiddisch usw.
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Der Begriff Regional - und Minderheitensprach beinhaltet nicht Dialekte von Amtssprache,
ebenso wenige Sprachen, die von Zuwanderern in der Europäischen Union gesprochen
werden. Die Minderheitensprachen in Italien entsprechen an den Minderheitegruppen, die
Bezug auf die Politik und die Kultur eines anderes Staat nehmen. Diese Minderheitensprache
sind:
- Das Deutsche in Südtirol,
- Das Französische im Aostatal,
- Das Slowenische in Friaul.
Diese drei Sprachen haben das Vorrecht, Hochsprachen neben das Standardsprache, d.h.
Italienisch, nach die Vereinbarung der internationalen Abkommen zu sein. Frankreich,
Österreich und Slowenien verkörpern den Bezugspunkt dieser Minderheitsgruppen. Diese
Verbindung ist sehr stark, weil sie die Hochsprache des fremden Staates sprechen und sie
betrachten sie als ihre Dachsprache. Das ist sehr wichtig, weil das Grund ist, dass diese
Minderheitgruppen nicht italienisch fühlen, sondern zu einer anderer linguistischer
Gemeinschaft gehören. Die Regionalsprachen in Italien sind:
- Das Ladinische,
- Das Furlanische,
- Das Sardische.
Diese drei Sprachen haben keinen Bezug auf die Politik und die Kultur eines anderes Staates
genommen. Diese drei Sprachen sind sehr verschieden als Italienisch, weil sie eine eigene
sprachliche Geschichte haben. Sie werden in einer bestimmten Region oder Gebiet
gesprochen. Diese drei Sprachen genießen den Schutz bestimmter Regionalgesetze.
III. Ladin Dolomitan
Ladin Dolomitan (Dolomitenladinisch) oder Ladin Standard (Standardladinisch) ist die
Schriftsprache der Dolomitenladiner, die auf Gemeinsamkeiten der fünf Hauptdialekte des
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Ladinischen basiert. Das Ladin Dolomitan ist eine Plansprache, d.h. eine menschliche
Sprache, deren Entwicklung von einem bewusst und planmäßig ausgearbeiteten Sprachprojekt
ihren Ausgang genommen hat. Eine Plansprache soll die internationale Kommunikation
verbessern und vereinfachen. Durch Vergleich diverser natürlicher Sprachen lässt sich relativ
leicht herausfinden, auf welche komplizierten Details natürlicher Sprachen verzichtet werden
kann. Eine Plansprache kann in wesentlich kürzerer Zeit als eine natürliche gelernt werden
oder in gleicher Zeit wird ein wesentlich besseres Sprachniveau erreicht.
Alle Formen des Ladin Dolomitan existieren bereits, sie werden von den Idiomen
übernommen. Es wird der größte gemeinsame Nenner gefunden zwischen verschiedenen
Formen einer Sprache. Sie ist das Ergebnis des sogenanntes SPELL – Projekts (Servisc per la
pianificazion y Elaborazion dl Lingaz Ladin), Dienst für Planung und Ausarbeitung der
ladinischen Sprachen, der „Union Generela di Ladins dles Dolomites“ und der ladinischen
Kulturinstituten „Micurà de Rü“ und „Majon de Fascegn“ und des Institut Pedagogich ladin,
das eine einheitliche Schriftsprache für die Dolomitenladiner kreieren sollte. Den Auftrag zur
Ausarbeiterung des Projekts erhielt 1988 der Professor Heinrich Schmid, der zuvor bereits die
bündnerromanische Schriftsprache Rumantsch Grischun entworfen hatte.
Dieses Projekt ist sehr wichtig, weil die Spaltung des Dolomitenladinisch in fünf
Schriftidiome mit gravierenden Nachteilen verbunden ist. Eine kleine Sprachgemeinschaft mit
lediglich etwa 30000 Einwohner bedarf der Sammlung aller Kräfte, wenn sie in der heutigen
Zeit den Konkurrenzdruck zweier Schriftsprache vom Rang des Italienischen und des
Deutschen auch nur annähernd gewachsen sein will. Ebene bewirkt aber das Gegenteil: eine
Verzettelung der Energien, sie steht der so dringend benötigen Einigkeit entgegen, sie führt zu
einem Auseinanderdriften statt zur Kohärenz, und sie verwandelt eine an sich schon kleine
Sprache in eine Reihe von Miniaturidiomen. So sehr die Vielfalt der gesprochenen Mundarten
einen Reichtum darstellt so ist doch das Fehlen einer Überdachungssprache für das
Gesamtgebiet ein Mangel, der schon vor langem als solcher erkannt wurde. Besonders
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unvorteilhaft musste die Lage erscheinen, wenn man das Ziel im Auge hatte, die
Existenzbedingungen des Ladinischen zu verbessern, ihm neue Anwendungsbereiche zu
erschliessen und ihm, in eben diesem Sinne, auch die Rolle einer Amtssprache zu übertragen.
Es war in der Tat nicht anzunehmen, dass die zuständigen Instanzen bereit sein würden, im
amtlichen Verkehr neben einer Form des Italienischen und einer Form des Deutschen mehr
als eine Variante des Ladinischen zu verwenden.
Ziel von Ladin Dolomitan ist nicht, die bestehenden ladinischen Sprachen der verschiedenen
Talschaften zu ersetzen und zu verdrängen. Vielmehr soll Ladin Dolomitan als
Standardsprache zur Verständigung zwischen Sprechern der verschiedenen Idiome dienen.
Auch kann dies den Verwaltungsaufwand von Gebietskörperschaften und Organisation
verringern, die nicht nur an eine einzige Talschaft gebunden sind. So erlaubt es z.B. der
Verwaltung des Landes Südtirol, sich in einer einzigen ladinischen Sprachform an die
Gemeinden in Gröden und im Gadertal zu wenden. Dennoch ist die Akzeptanz des Ladin
Dolomitan unterschiedlich, insbesondere gibt es in Gröden großen Widerstand. Im Gadertal,
im Fassatal und in Buchenstein steht die Bevölkerung dem Ladin Dolomitan recht
aufgeschlossen gegenüber. Bis heute haben einige Institutionen, etwa die Comunanza Ladina
de Bulsan, die Freie Universität Bozen, die Union Generela di Ladins dles Dolomites die
Standardsprache in ihren Publikationen übernommen.
Die Grundzüge des Ladin Dolomitan sind heute in zwei Grundlagenwerken skizziert, der
Gramatica dl Ladin Standard (2001) und dem Dizionar dl Ladin Standard (2002); letzteres
kann online konsultiert werden. Die Prozeduren, mit denen der Übergang von den lokalen
Idiomen zur Einheitssprache möglich wird, sind hier anhand von Beispielen dargestellt.
Die elektronische Erfassung des ladinischen Wortschatzes ist das Ergebnis einer
jahrzehntelangen Arbeit des Ladinischen Instituts in Zusammenarbeit mit anderen
Einrichtungen des Bereichs im Rahmen des Projekts SPELL, das im Wesentlichen auf die
Standardisierung der ladinischen Sprache abzielt. Eine dazu bestimmte Oberfläche ermöglicht
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den Zugang zu den strukturierten Datenbanken mit dem traditionellen lokalen Wortschatz
(Fassaner Ladinisch, Gadertaler Ladinisch, Enneberg-Ladinisch, Grödner Ladinisch,
Ampezzaner Ladinisch, Buchenstein-Ladinisch: ca. 90.000 Einträge), zu den elektronischen
Datenbanken der modernen Wörterbücher von den Idiomen der Täler (Fassaner Ladinisch,
Gadertaler Ladinisch und Grödner Ladinisch: über 200.000 Einträge), zur zentralen
Datenbank des Standard-Ladinisch und zu den terminologischen Datenbanken, die nach
Fachbereichen unterteilt sind (insgesamt ca. 16.000 Einträge).
IV. Ziel und Struktur der Diplomarbeit
Die erste Motivation dieser Diplomarbeit ist meine Liebe für die Dolomiten und für das
Gebirge. Seitdem ich klein war, verbrachte ich meine Urlauben in diesem wunderbaren Tälern
und ich hörte die Alteingesessener, eine sehr bestimmte Sprache zu sprechen.
Ziel der vorliegenden Studie ist es, das Kenntnis der aktuelle Situation des ladinisch aus einer
geschichtlicher und sprachlicher Sicht. Mein Ziel ist eine Überblick über das Ladinisch, in
jeden Aspekten haben. Die vorliegende Arbeit ist folgendermaßen aufgegliedert.
Der Analyse der Geschichte den Dolomitenladiner von der Vorgeschichte bis den Anbruch
des Massentourismus ist Kapitel 1 gewidmet. Es ist sehr wichtig, die Geschichte dieser Täler
kennen, weil es einfacher wird, die heutige politische Situation zu verstehen. Im Kapitel 2
habe ich die Situation in der Schweiz und im Friaul analysieren. Die Schweiz, genauer in der
Kanton Graubündens, und das Friaul sind die anderen zwei Gebieten, wo man eine ladinische
Sprache spricht. Im Kapitel 3 gibt es eine Beschreibung des Fassatales, des Grödentales, des
Gadertales und von Buchenstein. Ich habe diese Unterscheidung machen wollen, um die
gemeinsamen und unterschiedlichen Merkmalen zu unterstreichen. Der Schule, den Instituten
und der Lehrerbildung sind Kapitel 4 gewidmet. Die Schlussbemerkungen sind eine
Überlegung über die Zukunft dieser Sprache. Zum Schluss drücke ich meine eigene
Meinungen darüber aus.
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1. DIE LADINISCHE GESCHICHTE
1.1 Vorgeschichte
Die Dolomiten waren das
Theater der letzten Eiszeit, die
um 9000 Jh. V. Chr. endete.
Nach der Ende der
Vergletscherung änderte das
Klima: die Temperaturen
steigen an, die Winter waren
nicht so kalt und die Sommer
wurden länger, wärmer und
heißer. Die Gletscher begannen zu schmelzen und sich zurückzuziehen und bald waren die
Täler mit Wiesen und Wälder bedeckt. Die Natur begann blühend und sprießend zu sein, wie
charakterisiert die dolomitischen Tälern. Viele Tiere wie der Hirsch, das Wildschwein, der
Steinbock, die Gämse und der Bär leben seit damals in diesen Gebieten.
In dieser Zeit kamen die ersten Menschen, vor allem Jäger, die von der Natur und der Menge
verschiedener Tiere angezogen waren. Sie verbrachten die Sommer in den Tälern, um zu
jagen und dann kamen in nördlicher Zonen zurück. Die Historiker und Archäologen haben
Spuren von der Menschen der Steinzeit auf der Seiser Alm, dem Würz-, Sella- und Pordoi-
Joch sowie den Passübergangen von Campolongo, Falzarego, Giau, Costalunga, San
Pellegrino, Lusia, usw. entdeckt. Auf dem Plan de Frea, in der Nähe des Grödner Joches
stieß man 1977 auf eine mesolithische Jägerunterkunft, deren Fundgegenstände in die Zeit um
7000 v. Chr. zurückgehen. Spitzen und verschiedene kleine Werkzeuge, von Feuerstein
Bild 1: das Sella Massiv